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Die Besiedlung des Gebietes um die Stadt Radomsko, etwa 90 Kilometer südlich der großen Industriestadt Łódź, durch deutsche Kolonisten begann mit dem Ende des 18. Jahrhunderts nach der dritten polnischen Teilung. Die Region war in der zweiten Teilung 1793 dem Königreich Preußen als Südpreußen angegliedert worden.

In den deutschen Staaten herrschte zur damaligen Zeit ein großes Bevölkerungswachstum, wodurch sich mancherorts der Wohnraum einengte und die einfachen Bauern dem Grund- oder Gutsherrn immer höhere Abgaben zu leisten hatten, was zu einer Massenarmut und auf Grund von Missernten auch zu Hungersnöten führte. Zudem existierten politische und religiöse Gründe, die eine Auswanderung in die gerade preußisch gewordenen Gebiete begünstigten, wo polnische Gutsherren mit vielerlei Versprechungen lockten. Sie sicherten den Kolonisten ihre persönliche Freiheit, die ungehinderte Ausübung des Glaubens wie auch eine lokale Selbstverwaltung zu.

Daraufhin machten sich viele auf den Weg. Im Jahre 1795 entstanden östlich von Radomsko die ersten deutschen Kolonien: Felixów, Zakrzew, Cieszątka, Starnia Huta, die Waldholländerei und die Alte Glashüttener Holländerei. Seit 1799 wurde im Rahmen der Peuplierungspolitik auch durch staatliches Engagement die Kolonisation vorangetrieben. Die preußische Regierung nämlich wollte durch eine Germanisierungspolitik die Vermischung der ansässigen polnischen Bevölkerung mit den deutschen Einwanderern und durch eine effiziente Besiedlungspolitik die Urbarmachung der weiten Wald- und Sumpflandschaften erzielen. Hierzu wurden meist Familien aus den nichtpreußischen Regionen angeworben. So entstanden etwa 1800 westlich der Stadt im Amt Wiewiec die Orte Louisenhof (poln. Konstantynów) und Louisenbach, auch genannt Krupliner Lauf (poln. Błota Kruplińskie); in Louisenhof wurden Württemberger, in Louisenbach Mecklenburger angesiedelt.

Die durch die Kolonisten selbst angelegten Ortschaften waren zumeist Straßendörfer (Dmenin, Babczów) oder Zeilendörfer (Felixów, Przybyszów). Die Einwanderer waren in der Hauptsache dem Stamme nach Schlesier („Hockerlinger“) und Märker. Daneben tauchen auch Sachsen, Pfälzer, Schwaben, ein Böhme und ein Galizier auf. Die Vielzahl der Kolonisten kam nicht unmittelbar aus der Heimat, sondern war zum Teil schon seit Generationen in Holländerdörfern der Neumark, des Großherzogtum Posens oder des Kalischer Landes ansässig, wo sie auch da schon Land urbargemacht hatten; viele Wanderer kamen aus den zahlreichen Siedlungen der Umgegend von Łódź.

Auch nach der Gründung des Großherzogtums Warschau durch Napoleon im Jahre 1807 und der Einverleibung der Region in dieses ging die Kolonisation rege weiter vonstatten. 1809 entstanden die Kolonien Elżbietów, Florentynów, Konradów und Teodorów, 1810 die am südlichsten gelegene, Michałopól. 1811 schließlich wurde Dziepółć gegründet, das später Sitz der evangelischen Pfarrgemeinde sein würde. Neben diesen Ortschaften existierten viele weitere deutsche Gründungen, wie z.B. Antoniów, Bogusławów, Ewina, Jozefów, Krery oder Przybyszów, von denen aber das Entstehungsjahr nicht genau bekannt ist (eine weitgehend vollständige Liste ist unter der Kategorie "Lage und Orte" abrufbar).

Da die meisten Kolonien – wie bereits erwähnt – Holländereien waren, sei noch zu diesem Begriff gesagt, dass er sich von Wanderern aus dem niederdeutschen Raum ableitet, die sich selbst „Holländer“ nannten, jedoch im Allgemeinen nicht mit dem Volksstamm gleichgesetzt werden können. Es waren meist Deutsche und nur in seltenen Fällen Niederländer. Ursprünglich stammt der Begriff von Holländern, die sich im Holsteinischen Raum niedergelassen hatten und sich dort um die Kühe der Gutsbesitzer kümmerten und diese gegen Bezahlung „pachteten“. Von daher übertrug sich der Begriff im ganzen niederdeutschen Raum auf Personen, die eine Milchwirtschaft führten. Nach Osten aber fand eine Begriffserweiterung statt. Holländerdörfer waren in Posen und Polen Weiden- und Wiesenwirtschaften, die Holländer waren meist mit der Trockenlegung von Sümpfen und im Deichbau beschäftigt und zeichneten sich durch besondere Privilegien (u.a. eine weitgehende Selbstverwaltung) gegenüber den Bewohnern der Schulzendörfer aus.



Die deutschen Kolonisten hatten sich auf dem Land adliger Grundherrn angesiedelt. Man hatte ihnen zumeist eine Hufe (30 polnische Morgen) als Grundbesitz geschenkt, über welche sie völlig frei verfügen konnten. Jedoch hatten sie auch hier als Gegenleistung völlig unentgeltlich das Land des Gutsherrn zu bearbeiten, in der Hauptsache mussten sie Wälder roden und die Region urbarmachen, nebenbei natürlich noch den eigenen Besitz pflegen. Viele hielten diesen Mühen nicht stand und fanden einen frühen Tod oder zogen weiter nach Osten in die Gebiete Wolhyniens oder Bessarabiens.

Jedoch schufen sich auch viele „Wirte“, wie sich die Kolonisten selbst nannten, ein beachtliches Anwesen, welches zu einem gewissen Wohlstand der Bauern in den Ortschaften führte. Die Lebensweisheit aus dieser Gegend – „Der Erste hat den Tod, der Zweite hat die Not, der Dritte erst hat Brot“ – verwirklichte sich. Viele hatten es durch Fleiß ihren Nachfahren ermöglicht, ein besseres Leben zu führen, als sie selbst einst.

Das Berufswesen in den Kolonien war nicht weit gefächert. Alle waren Wirte, hatten ihre Landwirtschaft, die sie bearbeiteten, ihren Hof, auf dem sie lebten, und Vieh, das sie hüteten. Viele Orte hatten aber ein Bethaus und damit gab es auch einen Kantor, der gleichzeitig Lehrer war. Das Bethaus war gleichzusetzen mit der deutschen Schule und in zwei Teile gegliedert. Im einen wohnte der Kantor, der andere war der Raum für den Gottesdienst bzw. den Unterricht. Diese Bethäuser waren ausschließlich durch die Initiative der Kolonisten selbst entstanden. Sie stellten finanzielle Mittel, Baumaterial und Arbeitskraft zur Verfügung. Ihnen war es auch zu verdanken, dass der Kantor nicht verhungerte. Da er ja kaum Einkünfte aus seiner Tätigkeit bezog, stellten alle Wirte aus ihrem persönlichen Besitz ihm ein kleines Stück Land zur Verfügung, dass er dann bearbeiten konnte. In der Schule lehrte er den Kindern die deutsche Sprache und den Kleinen Katechismus; er erteilte auch Konfirmandenunterricht, da der Pfarrer viele Ortschaften zu betreuen hatte, so ständig unterwegs und nur selten in den Kolonien anwesend war. An Sonntagen und Feiertagen versammelte sich das gesamte Dorf in der Kirche zum evangelischen Gottesdienst. Für die polnische Bevölkerung war es selbverständlich, dass alle Deutschen evangelisch waren und jeder, der evangelisch war, auch ein Deutscher. So kam es dazu, dass zwischen den Begriffen, vor allem in der Sprache der polnischen Bauern, kein Unterschied mehr gemacht worden ist.

In diesen Ortschaften genoss der Glaube das höchste Ansehen, er wurde quasi gelebt, wie Richard Horn treffend in seiner Chronik schrieb. In jeder Kolonie gab es auch einen Gemeindevorsteher, einen Dorfschulzen, der frei wählbar war und die Dorfgerichtsbarkeit ausübte, und ein Friedhofskollegium, welches meist aus dem letzteren, dem Gutsbesitzer und einigen Wirten bestand. Diese Wirte lebten anfangs fast ausschließlich von der Viehzucht auf den zahlreichen Weiden und dem Obstbau. Oft war der Sandboden nährstoffarm und erst nachdem die Lande weitgehend urbar waren, besaß auch jeder Kolonist ein Stück eigenes Feld, auf dem er Getreide oder Gemüse anbauen konnte.

Die Höfe waren alle nach dem selben Muster angelegt. Sie waren quadratisch aufgebaut, bestanden aus einem Wohnhaus, einer Scheune, den Stallungen, einem Obstgarten und inmitten des Hofes einem Ziehbrunnen. Alle Häuser glichen eher Hütten, waren aus Holz gebaut und mit Stroh bedeckt, wurden aber immer sorgsam gepflegt und in Stand gehalten. „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“, steht in Goethes Faust I. Aus Angst vor Bränden, die erst durch die einfache Bauweise mit Stroh und Holz ermöglicht wurden, entschloss man sich in vielen Dörfern, Nachtwächter anzustellen. Oftmals ging das so vonstatten, dass alle Hofbesitzer der Häuserreihe nach abwechselnd einen Tag an der Reihe waren. Hatten alle einmal ihren Dienst getan, dann fing man wieder beim ersten Haus an.

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